Das Jahr 2003 war für sehr viele Schmetterlingsarten aussergewöhnlich. Man kann nicht sagen, pauschal gut oder schlecht, dazu haben die Arten viel zu unterschiedlich auf die extremen Witterungseinflüsse reagiert. Es waren aber bei sehr vielen Arten neue Phänologierekorde zu verzeichnen und die Generationenzahl lag bei zahlreichen Arten höher als sonst.
Im September fiel Rainer Ulrich und Roland Summkeller eine Puzzlefalter-Art (Pyrgus sp.) auf Halbtrockenrasen des Bliesgaus zu einer Jahreszeit auf, in der diese Gattung im Saarland bisher nie gefunden wurde. Die Handbestimmung ergab, dass es sich nicht um den häufigen (aber um diese Jahreszeit normalerweise auch nicht auftretenden) Pyrgus malvae handeln konnte. Zur Diskussion standen drei weitere, bundesweit sehr seltene und im Saarland noch nie bzw. schon lange nicht mehr nachgewiesene Arten.
Durch Genitaluntersuchung (durchgeführt von Andreas Werno) ist die Bestimmung inzwischen eindeutig. Es handelt sich um Pyrgus armoricanus (-->Foto im WEB), von dem bis dato erst ein einziges Exemplar (1968) im Saarland belegt war. Eine systematische Nachsuche (im wesentlichen durch R. Ulrich und Thomas Reinelt) ergab, dass die Art im Saarland in der zweiten Septemberhälfte auf allen gut entwickelten Kalk-Halbtrockenrasen (soweit untersucht) des Bliesgaus und Saargaus flog. Von ca. 15 Fundstellen ist sie inzwischen bekannt.
Auch in den Kalkgebieten Lothringens wurde die Art festgestellt (Marc Meyer, pers. Mitt.). Negativ verlief die Nachsuche hingegen auf den Silikatmagerrasen des Nordsaarlandes.
Mit dem Baden-Württemberger Spezialisten Gabriel Hermann wurden dann im NSG Badstube (hier beobachtete R. Ulrich eine Eiablage) Eier gesucht: nach fünf Sekunden hatte er das erste. Nach einer halben Stunde waren es etwa 50 Stück. Ablagepflanze ist dort ausschließlich Potentilla tabernaemontani. Inzwischen hat Th. Reinelt auch die Ablage an Potentilla reptans nachgewiesen.
Deutschlandweit ist Pyrgus armoricanus eine extreme Seltenheit. Es stellt sich die Frage, warum er im Saarland so lange unerkannt blieb und wieso er dieses Jahr so häufig war. Zunächst ist man geneigt, von einer Invasion auszugehen. Dagegen spricht, dass der Schmetterling ausschließlich (aber dann auch sehr regelmäßig) auf gut entwickelten kurzrasigen Kalk-Halbtrockenrasen fliegt.
Einfliegende Wanderfalter würden sich auch anderenorts aufhalten. Es spricht mehr für die These, dass er schon immer da war, durch eine Kombination von sehr geringer Individuendichte (unterhalb der "Nachweisschwelle"), wenig attraktivem Äußerem und Hauptflugzeit im Spätsommer (keine bzw. allenfalls noch mäßig motivierte Entomologen unterwegs) einfach nie gefunden wurde.
Der außergewöhnliche Witterungsverlauf 2003 kam der Art, die wohl stets in mindestens zwei jährlichen Generationen auftritt, sehr entgegen. Sie bildete eine vollständige dritte Generation aus, die dann in recht großer Individuendichte auftrat. Im Durchschnitt wurden 5 - 10 Ex. pro Stunde und Biotop festgestellt.Bleibt zu hoffen, dass die Räupchen gut in und über den Winter kommen (bis zum dritten Stadium müssen sie noch fressen) und nach dem außergewöhnlich guten Jahr nicht (es wäre nicht das erste Mal) ein ausgesprochen schlechtes folgt (durch Parasitengradation etc.).
Die gute Vernetzung der besiedelbaren Biotope im Bliesgau ist dabei sicher hilfreich; es ist wohl auch bei Pyrgus armoricanus von der Existenz regionaler Metapopulationssysteme auszugehen.
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