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Die Weiden-Sandbiene Andrena vaga gehört zu den früh fliegenden Wildbienenarten. Sie legt ihre Bodennester gesellig in sandigem Boden an und sammelt Pollen von Salix-Arten, um die Nester mit Larvennahrung zu verproviantieren. Die auffallend mit gelbem Pollen beladenen Weibchen bleiben dem aufmerksamen Blick des Spaziergängers ebenso wenig verborgen wie verschiedenen Parasitoiden unter den Insekten, die den vom Beuteflug heimkehrenden Wirtsbienen auflauern, um ihre Kuckuckseier in deren Nester zu legen.
Darwins Selektionstheorie beruht bekanntlich u.a. auf der Beobachtung, dass trotz eines hohen Nachkommensüberschusses die Populationen der meisten Arten langfristig konstant bleiben. Die Mehrzahl der Nach-kommen müsse also verschiedenen Umweltfaktoren zum Opfer fallen wie Fressfeinden, Parasit(oid)en, ungünstiger Witterung usw.
Wie hoch der Tribut ist, den Wildbienen an Parasitoide zu entrichten haben, mögen folgende Beobachtungen zeigen:
Schauplatz des kleinen Dramas ist eine kaum zwei Quadratmeter große Kolonie der Weiden-Sandbiene Andrena vaga an einem südexponierten, sandigen und bodenoffenen Wegrand im Wald ("Franzosengrab") zwischen St. Ingbert und Rohrbach. Die Kolonie beginnt, je nach Witterung, meist im März (im Jahre 2007 bereits am 12.März) sich zu beleben, wenn die Sandbienen-Männchen dicht über dem Sandboden patrouillieren in Erwartung paarungsbereiter Weibchen, die erst nach ihnen schlüpfen. Dann erscheinen weitere Akteure auf der Bühne, um ihren Part zu spielen: Wollschweber (Bombylius maior), Kuckucksbienen (Nomada lathburiana), Blutbienen (Sphecodes spec.), parasitoide Fliegen aus der Familie der Sarcophoridae (Miltogramma spec.) und schließlich Rote Waldameisen (Formica spec.), welche vor allem die Rolle des Totengräbers, weniger die des Prädators spielen.
Ob die sporadisch am Schauplatz des Geschehens erscheinenden Feld-Sandlaufkäfer (Cicindela campestris) Mitspieler, Statisten oder Zuschauer sind, kann nicht beurteilt werden.
Die Entwicklung der Larven ist polymetabol: die beweglichen Erstlarven suchen die Wirtsnester auf und ernähren sich dort in den folgenden Stadien als träge Maden zunächst vom Futtervorrat der Wirtslarve, dann von dieser selbst. Nach der Überwinterung als Larve verpuppen sie sich im Wirtsnest. Die mit Borsten und Dornen versehene bewegliche Puppe gräbt sich im Frühjahr aus ihrem unterirdischen Verlies ins Freie, wo die Imaginalhäutung erfolgt.
Vor zwei Jahren wollte es der Zufall, dass ich Zeuge des Schlupfakts wurde: ein Dutzend teilweise noch nicht pigmentierter Wollschweber-Imagines hingen an einem warmen Märztag (13.03.07) unbeweglich an Halmen in der Kolonie ihres Wirtes, unter ihnen am Boden die leeren Puppenhüllen. Die Sandbienen nahmen nicht die geringste Notiz von ihren nun erwachsen gewordenen Wechselbälgen. Die Puppen-Exuvien wurden abgesammelt: es waren nicht weniger als 30 Exemplare, am nächsten Tag wurden weitere 40 Ex. aufgelesen, am folgenden Tag blieb die Nachsuche ergebnislos. Die Summe von 70 Puppenhäuten muss aber vermutlich nach oben korrigiert werden angesichts all derer, welche nicht gefunden, vom Winde verweht oder vielleicht von Ameisen davongetragen worden waren.
In diesem Jahr, 2009, lieferte ein Besuch am 12.04.09 an derselben Kolonie die Ausbeute von sage und schreibe 104 Bombylius-Exuvien. Die Beobachtungen mussten leider für ein paar Tage unterbrochen werden. Am 18.04.09, einem Regentag, wurden in der Kolonie weitere 25 Puppenexuvien gefunden, vermutlich solche, welche am 12.04.09übersehen worden waren, denn meine Beobachtungen lassen vermuten, dass die meisten Tiere innerhalb der kurzen Zeitspanne von 1-2 Tagen schlüpfen. Ein weiterer Kurzbesuch am folgenden Tag, kurz vor Mittag, bei besseren Wetterbedingungen (Sonne), erbrachte weitere 43 Puppenhäute, angesichts der nasskalten Witterung der vorangegangenen Tage sicher nicht die von frisch geschlüpften Tieren. Denn in der Kolonie schien das Leben nach mehrtägigem Regen bis auf zwei träge Sandbienen und eine Nomada lathburiana erloschen zu sein. Wollschweber zeigten sich nicht.
(Für Hinweise von Dipteren-Experten zu Miltogramma wäre der Autor dankbar).
Diese Erfahrung zeigt, dass die Dunkelziffer der (z.B. in Falllaub und Grasbüscheln) unentdeckt bleibenden Exuvien hoch sein muss. Es ist daher sicher nicht übertrieben anzunehmen, dass in diesem Jahr wohl mindestens 200 Wollschweber allein von dieser kleinen Sandbienen-Kolonie "erbrütet" worden sind. Wenn man die schwieriger zu beziffernden Verluste durch Kuckuckucks-Bienen, parasitoide Fliegen und Räuber hinzurechnet, muss der Aderlass enorm sein, dem die Sandbienen-Population alljährlich ausgesetzt ist.
Und dennoch existiert die Kolonie unvermindert seit vielen Jahren, dank einer Fortpflanzungsrate, die sich im Laufe der Evolution auf diese Verluste eingestellt haben muss.
Interessant ist, wie bereits angedeutet, dass in der Sandbienen-Kolonie keine aggressiven Interaktionen zwischen Wirt und Parasitoid beobachtet wurden, die Wirtsbienen also nichts unternehmen, um sich ihrer Plagegeister zu erwehren, als habe sich bei einer entsprechend "eingestellten" Fortpflanzungsrate die Entwicklung besonderer Abwehrstrategien erübrigt.
Literatur:
Bellmann, H. (1999): Der neue Kosmos-Insektenführer. Stuttgart.
Jacobs, W. (1998): Biologie und Ökologie der Insekten: ein Taschenlexikon/begr. von Werner Jacobs und Maximilian Renner. - 3.Aufl./ überarb. von Klaus Honomichl. - Stuttgart; Jena; Lübeck; Fischer.
Müller,A. ,Krebs, A. & Amiet, F. (1997): Bienen. Mitteleuropäische Gattungen, Lebensweise, Beobachtung.
Naturbuch-Verlag, München.
Westrich, P (1990): Die Wildbienen Baden-Württembergs. Allgemeiner Teil. Ulmer, Stuttgart.