Delattinia News

Massaker oder Drama im Pfälzer Wald an der B10, Abfahrt Ruppertsweiler?

Datum: 

11.07.2009

Ort: 

Ruppertsweiler
Hügel an der B10 bei Ruppertsweiler mit unzähligen Hirschkäfer-Überresten
Hügel an der B10 bei Ruppertsweiler mit unzähligen Hirschkäfer-Überresten
Überreste von Lucanus cervus, dem Hirschkäfer

​Schauplatz des Geschehens ist ein kleiner Hügel, der im Zuge des Ausbaues der B10 entstanden ist. Auf dieser nur wenige Quadratmeter großen Anhöhe entdeckte ich am Samstag, den 11. Juli 2009, die Überreste unzähliger Hirschkäfer-Männchen (Lucanus cervus). Was ist hier passiert? Haben wir hier so etwas wie einen Elephantenfriedhof für Hirschkäfer vor uns, oder handelt es sich um den Lagerplatz eines überaus erfolgreichen Hirschkäfer-Jägers?

Die Spurensicherung vor Ort ergab, dass die Überreste offensichtlich im Verlauf eines größeren Zeitraumes an den Tatort verbracht wurden. Einziger Verdächtiger am Tatort war eine Rabenkrähe.

Delattinia-Mitglied Werner Schmidt-Koehl machte am 25. Mai 2008 eine ganz ähnliche Beobachtung im Bitcher Land (Schmidt-Koehl 2010).

Sonstige Beobachtungen:

Auf den im Zuge des Straßenneubaus neu entstandenen Sandböschungen fanden sich (selten) an völlig ungeschützten Stellen einzelne Trichter von Ameisenlöwen.

Fangtrichter eines Ameisenlöwen
Fangtrichter eines Ameisenlöwen
Larve von cf. Myrmeleon formicarius
Larve von cf. Myrmeleon formicarius

Mehr als der Ameisenlöwe erregte die potenzielle Beute am Rande des Trichters (siehe Foto) mein Interesse. Diese "Wegameise" erschien mir doch etwas merkwürdig. Und tatsächlich, bei Anwendung des Maximalzooms meiner Kamera entpuppte sich die Ameise als Wanzenlarve: 

Larve von Alydus calcaratus, dem Rotrückigen Irrwisch.
Larve von Alydus calcaratus, dem Rotrückigen Irrwisch.

Anlass für die Exkursion war natürlich eine Spinne. 

Frontinellina frutetorum
Frontinellina frutetorum


An der B10, Ausfahrt Ruppertsweiler, hatte der bekannte Tierfotograph Heiko Bellmann voriges Jahr auf der Heimfahrt von einem Besuch des Saarlandes mehr oder weniger zufällig ein großes Vorkommen einer recht seltenen Baldachin-Spinne, Frontinellina frutetorum, entdeckt. Da ich diese thermophile Art schon mehr als 20 Jahre lang nicht mehr gesehen habe, hatte ich die Örtlichkeit kurzerhand auf meine Prioritätenliste der Exkursionsziele für 2009 gesetzt. 

Vor Ort hatte ich keine Probleme die Art zu finden. Sie baut ihre Netze in die Jungkiefern, die sich in großer Zahl auf den frischen Sandböschungen der neu ausgebauten B10 etabliert haben. Wahrscheinlich befinden sich auf jeder der Kiefern dort (siehe Foto oben) ein oder gar mehrere Netze. Männchen konnte ich keine finden. Für mich waren die Netze in keiner Weise auffällig und nicht auf Anhieb von den Netzen von Linyphia oder Neriene zu unterscheiden. Möglich, dass ich die Art in der Vergangenheit daher öfters (immer?) übersehen habe.
Die Bewohner von großen Baldachin-Netzen sind nämlich mit der Klopfschirmmethode, die ich favorisiere, nicht adaequat nachzuweisen, da sie sich praktisch nicht aus ihren Netzen herausklopfen lassen. Besser man fasst beherzt mit der Hand zu, um so die Tiere aus den Netzen herauszuholen. Anschließend klebt einem dann das halbe Netz auf Arm und Kleidung. Alle in Frage kommenden Arten (mit Ausnahme von Frontinellina natürlich) sind ausgesprochen häufig und vor Ort bestimmbar, so daß ich mir diesen Aufwand in der Regel nicht mache, vergesse aber dadurch häufig die Tiere zu notieren oder überhaupt anzusehen.

Literatur: 

Niehuis, M. & Sebald, S. (unter Mitarbeit von M. WEIZEL) (2008): Beitrag zur Kenntnis der Ameisenjungfern von Rheinland-Pfalz (Insecta: Neuropterida: Neuroptera: Myrmeleontidae) - Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz, Zeitschrift für Naturschutz, Bd 11, Heft 2 (2008), 459-515.
​Schmidt-Koehl, W. (2010): Une grande bouffe de Lucanes, Lucanus cervus L., 1758 (Coleoptera, Lucanidae). - Société Lorraine D'Entomologie, Bulletin n° 13 (2010), 36-38.

Autor(en): 

A. Staudt

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Neue Funde der Gespensterwanze Phymata crassipes im Saarland.

Datum: 

18.06.2009

Ort: 

Rebenklamm, Reinheim
Phymata crassipes an der Rebenklamm bei Reinheim (Foto: U. Heseler, 18.06.2009)
Phymata crassipes an der Rebenklamm bei Reinheim (Foto: U. Heseler, 18.06.2009)
Phymata crassipes an der Rebenklamm bei Reinheim (Foto: U. Heseler, 18.06.2009)
Phymata crassipes an der Rebenklamm bei Reinheim (Foto: U. Heseler, 18.06.2009)

Die Gespensterwanze Phymata crassipes zählt zu den bizarrsten Arten unserer Wanzenfauna. Sie gehört zur Familie der Reduviidae (Raubwanzen) und ist die einzige heimische Vertreterin der Unterfamilie der Phymatinae. Die morphologischen Abweichungen von den Raubwanzen sind allerdings so groß, dass die Gespensterwanzen auch in eine eigene Familie eingeordnet werden.
Die Gattung Phymata ist mit 80 Arten in Neotropis und Nearktis, aber nur mit vier Arten in der Paläarktis vertreten. In Mitteleuropa kommt nur die Art P. crassipes vor, eine nach WACHMANN et al. (2006) nur in SW-Deutschland etwas häufigere Art; im Saarland ist sie jedoch mit bislang nur 5 Nachweisen eher eine Rarität.

Die Vorderbeine dieser unverkennbaren Art sind zu Fangbeinen umgewandelt, dabei werden die Schienen (mit den verkümmerten Fußgliedern) gegen die Schenkel eingeklappt. Mit ihnen ergreift der von Wanzenfreunden liebevoll "Teufelchen" genannte Lauerjäger seine Beute. Die Körpergestalt erinnert an vertrocknete Pflanzenteile. Die Fühler werden in Ruhe in seitlich am Kopf verlaufenden Rinnen eingelegt. Die xero-thermophile Art ist auf Blüten in trocken-warmen Habitaten wie Kalkmagerrasen, und Felsheiden zu finden, wo die Tiere, ähnlich wie Krabbenspinnen, Blütenbesucher erbeuten, die deutlich größer sein können als sie selbst.

Die bis 2006 einzigen Nachweise im Saarland stammen von Aloysius Staudt, der die Art in den Jahren 2002 - 2003 bei Saarfels/Beckingen (Newsartikel), im NSG Badstube bei Mimbach (Newsartikel vom 11.05.2003) und im NSG Hammelsberg bei Perl (Newsartikel vom 27.06.2003) fand (KALLENBORN 2006).
Am 15. Juli 2006 gelang dem Autor dieser Zeilen ein vierter Nachweis der Art, zugleich ein Erstnachweis für den Naturraum Saar-Blies-Gau: in einem Kalkmagerrasen am Osthang des Würzlings südl. Bebelsheim (6808/415) wartete auf dem Blütenkopf einer Margerite ein subadultes Exemplar auf Beute. 

Es sollten zwei Jahre vergehen, bis der nächste Nachweis gelang: Am 18. Juni 2009 wurden zwei adulte Tiere am Magerrasenhang nordwestl. der Rebenklamm nördl. Reinheim gefunden.
Das eine Tier, das sich durch seine dunklere Färbung als Männchen auswies, hatte auf dem Blütenstand einer Margerite eine nicht bestimmte kleine Hymenoptere erbeutet. Nachdem der Räuber die Überreste seiner ausgesaugten Beute fallen gelassen hatte, fuhr sein Rüssel in die Röhrenblüten seines Blumenansitzes, als wollte das - eigentlich als rein zoophag geltende -Tier mit einem Schluck Nektar seine Mahlzeit beschließen.
Die Wanze erklomm schließlich die Zungenblüten ihrer Warte, um davon zu fliegen. Wenige Meter entfernt wurde abermals ein männliches Exemplar, ebenfalls auf einer Margerite, gefunden. Der Vergleich der Belegfotos läßt freilich vermuten, dass es sich möglicherweise um dasselbe Tier gehandelt hat.
Schließlich wurde, keinen Steinwurf entfernt, ein ebenfalls adultes Exemplar auf dem Blütenstand einer Skabiose entdeckt. Die eher gelbbraune Färbung lässt hier auf ein Weibchen schließen. Auch dieses Tier hielt nur magere Kost, einen millimetergroßen schwarzen Käfer, in seinen Fängen.
Vielleicht regen die geschilderten Beobachtungen auch heteropterologische Laien dazu an, nach diesen interessanten und leicht kenntlichen Wanzen Ausschau zu halten, denn es bedarf zu ihrer Bestimmung keiner Spezialkenntnisse. Angesichts der Vielzahl gut geeigneter Biotope im Saarland ist sicher mit weiteren Nachweisen zu rechnen.

Literatur: 

Kallenborn, H.G. (2006): Copium clavicorne (LINNAEUS, 1758), eine Blütengallen induzierende Tingide, und weitere Ergänzungen zur Wanzenfauna des Saarlandes (Insecta: Heteroptera).- Abh. der Delattinia 31: 79-87
Wachmann, E., Melber, A. & Deckert, J. (2006): Wanzen, Band 1. Die Tierwelt Deutschlands, 77. Teil. - Goecke & Evers, Keltern.
Wachmann, E. (1989): Wanzen beobachten - kennenlernen. Neumann-Neudamm, Melsungen. 

Autor(en): 

Ulf Heseler

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Erster Fund der Kugelspinne Steatoda triangulosa im Saarland.

Datum: 

17.06.2009

Ort: 

Saarlouis-Picard
Steatoda triangulosa, Weibchen, in Saarlouis-Picard
Steatoda triangulosa, Weibchen, in Saarlouis-Picard

Steatoda triangulosa ist eine thermophile Kugelspinne, die seit den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts für die Wärmegebiete um Mainz herum bekannt ist. So schreibt BRAUN (1957), dass die Art, damals hieß sie noch Teutana triangulosa, auf dem Campus der Universität Mainz "ungemein häufig" sei, er aber auch Tiere in Mainz-Bretzenheim im Freien gefunden habe. Seit dieser Zeit hat sie sich stetig aber langsam im Oberrheingraben und wohl auch am Mittelrhein ausgebreitet, ist aber synanthrop geblieben.
In Folge der derzeitigen Wärmeperiode ist es nun offenbar zu einem massiven Invasionsschub gekommen, denn seit ca. 10 Jahren wird die Art vermehrt von Laien in häuslicher Umgebung in ganz Deutschland beobachtet. Die professionellen Arachnologen dagegen haben sich hier wieder einmal eine Gelegenheit entgehen lassen, das Ausbreitungsverhalten von Arthropoden gezielt erforschen zu können.
Nun ja, dies trifft ja auch auf die Spinnenforschung im Saarland zu, denn obiges Exemplar mußte sich erst persönlich im Büro des ältesten saarländischen Spinnenforschers vorstellen, um als neue Art im Saarland überhaupt erst wahrgenommen zu werden.

Fund der Violetten Sommerwurz Orobanche purpurea im NO-Saarland.

Datum: 

14.06.2009

Ort: 

Güdesweiler
Orobanche purpurea 2009 in Güdesweiler (Foto: Rudi Dupré)
Orobanche purpurea 2009 in Güdesweiler (Foto: Rudi Dupré)
Orobanche purpurea 2009 in Güdesweiler (Foto: Rudi Dupré)
Orobanche purpurea 2009 in Güdesweiler (Foto: Rudi Dupré)

Die Violette Sommerwurz gehört zu den seltensten Pflanzenarten des Saarlandes. Hinzu kommt eine gewisse natürliche Unbeständigkeit an ihren Wuchsorten, so dass die Begegnung mit dieser Art auch für den professionell tätigen Botaniker immer ein besonderes Erlebnis bleibt.
Die letzte Beobachtung reicht z.B. bereits in das Jahr 2002 zurück und wurde ebenfalls hier veröffentlicht.
Frau Marianne Scherer fand die Art nun Mitte Juni im Nordost-Saarland und stellte uns die Fotos zur Verfügung.

Der Fundort liegt auf der Gemarkung Güdesweiler, Flur 2, Flurstücke 45/1, 45/2, Auf der Kirschendell (NE Silzwald, MTB 6408/422, Gauss-Krüger-Rechtswert 2580600, Hochwert 5488950, 14.06.2009).

Bemerkenswert am aktuellen Fund (ca. 50 Exemplare) ist auch der Wuchsort in Güdesweiler. Es handelt sich hier offensichtlich um eine sehr intensiv genutzte Wiese (Weidelgras-Weißklee-Typ). Normalerweise präferiert die Art nämlich sehr extensiv genutzte (bis fast brachliegende), sehr magere Trockenhügel.

Karte