Delattinia News

Tag der Artenvielfalt - Prallhang der Nied nordwestl. Niedaltdorf

Datum: 

13.06.2009

Ort: 

Niedaltdorf
Felsenspringer Lepismachilis y-signata
Felsenspringer Lepismachilis y-signata

Ziel der arachnologischen Hauptexkursion am Tag der Artenvielfalt war der ostexponierte, bewaldete Prallhang der Nied nordwestlich Niedaltdorf. Besondere Lebensraumtypen dort sind kleinere, mit Moosen überwachsene Kalkschutthalden und eine Quellrinne mit Sinterterrassen und Kalktuffe. Erfahrungsgemäß sind an solchen Standorten mit der Sammelmethode Handfang und Klopfschirm/Kecher keine nennenswerten Spinnenarten zu erwarten. Dies bestätigte sich auch bei dieser Aufsammlung.

Felsenspringer in einem dunklen, luft- und bodenfeuchten Wald war eine echte Überraschung. Die Tierchen leben dort im unteren Stammbereich von Bäumen, die mit Efeu dicht bewachsen sind. Das Habitat ist, vorausgesetzt es läuft kein Regenwasser direkt am Stamm entlang, ziemlich trocken.
Wenn allerdings felsenartige Elemente für die Habitat-ausstattung bei dieser Art überhaupt nicht notwendig sind, erhöht sich die Anzahl der potenziell möglichen Fundstellen im Saarland enorm.

Nebenstehendes Tierchen zeigt, dass die Evolution auch in der Ordnung der Spinnentiere ganz bizarre Lebensformen hervorgebracht hat. Es gehört zu den Brettkankern Trogulidae, die in der Laubstreu und am Boden leben. Körper (ca. 4 mm) und Beine sind mit Erdklümpchen getarnt. Die Gattung Anelasmocephalus ist in Mitteleuropa außerhalb der Gebirge lediglich mit einer einzigen Art Anelasmocephalus cambridgei vertreten, einem atlantisch-submediterranen Faunenelement.
Die Trogulidae leben von Mollusken und sind daher auf Kalk deutlich häufiger als auf kalkarmen Substraten.

 

Dies könnte z.B. eine potenzielle Beute für unseren Brettkanker sein:

Die folgende Stelzenwanze Metatropis rufescens ist an Hexenkraut Circaea lutetiana gebunden und damit ein typisches Faunenelement feuchter Laubwälder. In den Muschelkalkgebieten recht häufig, sonst etwas seltener.

 

Metatropis rufescens
 

Und hier ein weiteres Tier mit Stelzen, eine Stelzmücke aus der Familie der Limoniidae,
Epiphragma ocellaris:

Epiphragma ocellaris

Aber natürlich können die Spinnentiere auch beim Thema "Stelzen" mithalten: Platybunus pinetorum hat gleich acht Stück davon und zudem noch länger als bei den Konkurrenten. Die Art ist ein typisches Element der montanen bis submontanen Bergwälder im Nordsaarland und Hunsrück und dort auf Schritt und Tritt zu finden. In den collinen Wäldern des mittleren und südlichen Saarlands sehr viel seltener.

Platybunus pinetorum
 

Zum Abschluß des Berichts das Belegfoto einer Großlibelle, die wir ganz am Anfang unserer Exkursion noch im Ort selbst an einer Hauswand beim Wärmetanken beobachten konnten:

Gomphus vulgatissimus

Aus dem Niedgebiet sind noch zwei weitere Gomphidenarten bekannt:
Ophiogomphus cecilia (Grüne Keiljungfer) und Onychogomhus forcipatus (Kleine Zangenlibelle)

Dank an Bernd Trockur (Libellen) und Carsten Renker (Mollusken) für Bestimmungshilfen

Tag der Artenvielfalt - Trockenmauer im ehemaligen Weinberg bei Großhemmersdorf

Datum: 

12.06.2009

Ort: 

Großhemmersdorf

Bei einer Exkursion am 26.05.2005 wurden folgende bemerkenswerten Spinnenarten an diesem Hang festgestellt:

  • Talavera inopinata
     
  • Liocranum rupicola
    Dies war der Erstfund für das Saarland; bisher keine weiteren Funde im Saarland
     
  • Cetonana laticeps
    Seit dem Erstfund in Saarlouis-Picard nur hier ein weiteres Mal gefunden
     
  • Dipoena inornata
    ein Jungtier von Dipoena inornata mit gelben Beinen ohne Schwärzung
     
  • Atypus sp.

Dipoena inornata heißt heute Phycosoma inornatum und hat gewöhnlich gelbbraune Beine wobei die Tibia etwas dunkler ist (vgl. z.B. Bericht zum Leuktal[Link fehlt]). Der Schluß von 2005, dass bei Jungtieren diese Schwärzung wohl auch einmal fehlen könnte, erweist sich allerdings nach den Ergebnissen der diesjährigen Exkursion als falsch.

Diesmal wurden nämlich gleich mehrere Tiere aus der Gattung Dipoena mit reingelben Beinchen gefunden, darunter auch bestimmbare adulte Exemplare. Es handelt sich hierbei um eine weitere seltene Dipoena-Art, Dipoena erythropus.

Auch die anderen bemerkenswerten Arten Talavera inopinata, Liocranum rupicola und Cetonana laticeps konnten bestätigt werden. Allein Phycosoma konnte nicht wiedergefunden werden.

Nachdem in diesem Frühjahr vom Erstfund der Agelenidae Textrix denticulata im Nahe-Bergland berichtet werden konnte (vgl. Bericht: Leienberg bei Hinzweiler[Link fehlt!]), hier nun die Erstbeobachtung im Saarland.

 

Weitere bemerkenswerte Beobachtungen:

Während wir intensiv die Trockenmauer musterten, wurden wir unsererseits aus einer Mauerspalte heraus beobachtet:
Möglicherweise auch von diesen Tierchen, die man zahlreich aus dem Efeu herausklopfen konnte, der das Mauerwerk stellenweise überwucherte:
 

Und neben dem mittlerweile als ziemlich anspruchslos erkannten Lepismachilis y-signata kommt eine weitere Felsenspringerart auf der Trockenmauer vor: Trigoniophthalmus alternatus

 

Trigoniophthalmus alternatus

Bestimmungsrelevantes Merkmal für diese Art sind die dreieckigen Ocellen unter (= vor) den großen Komplexaugen.

Anmerkung:
Ein weitere Fund der Art gelang am 03.07.2009 im Steinbruch auf dem Eiderberg bei Freudenburg (leg. A. Staudt / E. Schaller)

Nach den Schaben-Aufsammlungen im letzten Jahr schien es sich bei Ectobius lucidus um eine seltene Art in der Großregion zu handeln. Diese Einschätzung muss nach den zahlreichen Funden in diesem Jahr etwas relativiert werden. Auch an der Trockenmauer bei Großhemmersdorf war die Art vertreten:

 

 

Ectobius lucidus

Tag der Artenvielfalt - Aufgelassener Kalksteinbruch südl. Hemmersdorf

Datum: 

12.06.2009

Ort: 

Hemmersdorf
Pyrola rotundifolia (links), Bartflechte Bryoria fuscescens (rechts)
Pyrola rotundifolia (links), Bartflechte Bryoria fuscescens (rechts)

Das weitläufige Gelände des ehemaligen Kalkbergwerks südlich Hemmersdorf entstand, als in der Stahlindustrie des Saarlandes noch Löschkalk in großen Mengen gebraucht wurde. Diese Zeiten sind schon lange, wenn auch noch nicht ganz so lange wie der Weinanbau im Gebiet um Hemmersdorf, vorbei. Durch Einsturz der alten unterirdischen Kammern entstand das Gebiet, dass dem heutigen Besucher als Steinbruchgelände erscheint. Da es wegen der Einsturzgefahr nicht bewirtschaftet werden kann, konnte sich ein wichtiges Rückzugsgebiet für seltene Pflanzen- und Tierarten entwickeln, das aufgrund seiner Lage, Größe und Artenausstattung heute Teil des europäischen Schutzgebiets-Netzes NATURA 2000 geworden ist. Die natürliche Sukzession, der eigentliche Grund für die heutige Bedeutung des Gebietes, ist aber zugleich auch der größte Gefährdungsfaktor. Die optimale Mischung von 30% offener Magerrasen, 30% locker verbuschter Magerrasen und 30% Gebüsch ist längst zu Gunsten der Verbuschung überschritten.

In diesem Zusammenhang und mit Blick auf die heutige und zukünftig wohl noch bescheidenere Ausstattung des Naturschutzes mit finanziellen Mitteln erscheint eine Diskussion zum Thema "Pflege mit Feuer" längst überfällig.

In Kalksteinbrüchen aber auch auf den Abraumhalden und trockenen Absinkweihern der Montanindustrie konnten sich in der gesamten Großregion im Verlauf der letzten 50 Jahre große Bestände der beiden Wintergrünarten Pyrola minor und P. rotundifolia etablieren. Insbesondere Pyrola rotundifolia, früher die seltenere Art, vergrößert augenscheinlich seit ca. 10-20 Jahren ihre Bestände massiv.

Flechten bilden im gesamten Gelände auffällige Bestände. Alle Bäume und Sträucher sind dicht mit Flechten bewachsen. An luftfeuchten, schattigen Stellen tragen die Bäume regelrechte Mähnen und Bärte.

Libellen würde man im ersten Moment zwar nicht mit einem Trockengebiet in Verbindung bringen, aber gerade die Arten der Gattung Gomphus sind bekannt dafür, dass sie sehr gerne weit herumfliegen und dann auch mal kilometerweit vom nächsten Fließgewässer entfernt zu beobachten sind:

Bemerkenswerte Arten:

 

Die Wanze Heterocyrdylus genistae, lebt, wie der Artname schon andeutet, besonders gerne an Färberginster. Sie wurde erst kürzlich erstmals für das Saarland gemeldet. Wir denken, dass eine gezielte Suche an Färberginster sicherlich noch viele Funde ermöglichen würde.

Hylyphantes nigritus: Innerhalb weniger Tage (siehe oben Beitrag "Gauberg") jetzt schon der zweite Nachweis der Art im Saarland.

Salticus zebraneus ist leicht mit dem an Hauswänden (und Felsen) häufigen Salticus scenicus zu verwechseln. Die Art lebt auf der Baumrinde alter Bäume und ist ausgewachsen deutlich kleiner als S. scenicus. Da die Muster auf dem Hinterleib bei beiden Arten etwas variabel sind, fällt auch dem erfahrenen Arachnologen bei manchen Tieren die Bestimmung nach äußerlichen Merkmalen schwer. Angemessene Fangmethode für diese Art sind Baumeklektoren, die aber selten eingesetzt werden. Entsprechend dürfte die Art im gesamten Bundesgebiet deutlich unterkartiert sein. Allerdings ist auch Salticus scenicus unterkartiert, da Arachnologen selten im Hausbereich sammeln.

Tag der Artenvielfalt - Gauberg bei Siersdorf

Datum: 

11.06.2009

Ort: 

Gauberg, Siersdorf
Dicranopalpus ramosus, Jungtier
Dicranopalpus ramosus, Jungtier - Fotos erwachsener Tiere aus der Umgebung von Metz findet man hier.

Der folgende Artikel schildert die Ergebnisse einer Exkursion am 11.06.2009:

Der Gauberg, ein sonnenexponierter Prallhang der Nied bei Siersdorf, ist schon lange als Naturschutzgebiet ausgewiesen, und von den standörtlichen Gegebenheiten her für den Artenschutz von besonderer Bedeutung. Allerdings hat die Sukzession den Hang voll im Griff und bis die gerade angelaufenen Pflegemaßnahmen wirklich greifen, wird sicherlich noch einige Zeit verstreichen.

Und obwohl die Exkursion, was das Wetter betraf, unter keinem guten Stern stand, hielt der Gauberg doch einige Überraschungen bereit.

Beginnen wir mit den arachnologischen:
Da wäre dieser winzige, kaum 1 mm große juvenile Weberknecht, der aber dank der auffälligen, daumenartigen Apophysen (Anhängsel) an den Tastern in jedem Stadium eindeutig bestimmbar ist: Dicranopalpus ramosus.

Es handelt sich bei dieser Art wieder einmal um einen Neozoon, der schon vor einiger Zeit in die atlantischen Region Westeuropas vorgedrungen ist und sich mittlerweile in Großbritannien, Belgien und den Niederlanden voll etabliert hat. Nun beginnt er auch vom Niederrhein her ins Ruhrgebiet vorzudringen (Nachweiskarte, man beachte dass alle Nachweise aus dem Zeitraum 2000-2009 stammen!). Die Erstmeldung für Deutschland erfolgte im Jahr 2004 (Schmidt, 2004).
Über die Situation in Lothringen liegen mir nur spärliche Informationen vor, z.B. ein Hinweis, dass die Art sich schon lange im Stadtbild von Metz etabliert hat (IORIO 2007). Dies und meine eigenen Beobachtungen (Pagny-La-Blanche-Côte, Écrouves[Link fehlt!]) zeigen, dass die Art aber auch den klassischen Einwanderungsweg über das Moseltal nimmt bzw. bereits genommen hat. Dass sie nun auch an der Nied im Saarland auftaucht, war somit irgendwie doch zu erwarten.

Was könnte wohl an dieser nur ca. 3 mm großen Zwergspinne so interessant sein, dass sie hier als Besonderheit aufgeführt wird?
Es können gleich drei Gründe genannt werden:

  • Dies ist der erste Fund der Art im Saarland, und
  • die Art ist in Deutschland bisher nur von ganz wenigen Stellen bekannt, überwiegend aus Baden-Württemberg.
  • Andererseits ist die Art in Lothringen, Luxem-burg und möglicherweise auch in Belgien ziemlich häufig.

Punkt 3 lässt sich aus der Beobachtung ableiten, dass ich die Art nahezu bei jeder Exkursion in die genannten Regionen gefunden habe, in den >5000 Spinnen-Aufsammlungen aus dem Saarland und Rheinland-Pfalz fehlt sie aber komplett. Die Art muss also in unserer Region eine Verbreitungsgrenze besitzen, eventuell stellt das Moseltal die Ostgrenze ihrer Verbreitung dar. Bzw. müßte man, da die Art auch in Osteuropa vorkommt, korrekterweise so formulieren: Die Mosel ist die Westgrenze einer großen Verbreitungslücke im Gesamtareal der Art, welche große Teile Deutschlands umfaßt.
Und nun ist Hylyphantes nigritus offenbar dabei diese Verbreitungslücke vom Südwesten her zu schließen. Das macht für den Arachnologen den Reiz bei dieser Art aus.

 

Weitere bemerkenswerte Arten am Gauberg bei Siersdorf:

Bezüglich der Orchideen ist der Gauberg für saarländische Verhältnisse und angesichts der extremen Standortverhältnisse mehr als bescheiden ausgestattet. Lediglich ein einziges Orchideenindividuum der Art Orchis insectifera konnte ich ausmachen.
Die Felsenspringer waren an Erdanrissen mit Lepismachilis y-signata vertreten. Diese Art dürfte nach den Beobachtungen aus dem vergangenen Jahr 2008 die häufigste Art im Saarland sein. Wahrscheinlich eine nahezu euryöke Art. 
Die thermophile Schabenart Ectobius pallidus ist im Saarland und Rheinland-Pfalz an Felsenstandorten nicht selten, auf Kalk-Halbtrockenrasen konnte ich sie zwar auch schon einfangen, allerdings nur in Lothringen.
Phymata crassipes, das Teufelchen, ist ebenfalls eine ausgesprochen thermophile Art.

Die folgenden Fotos sollen vor allem auf ein Defizit in der Erforschung der Heuschreckenfauna des Saarlandes hinweisen: Ist die Gattung Textrix auch im Saarland mit Tetrix bipunctata vertreten, oder nicht? In den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts war die Gruppe der Heuschrecken intensiv bearbeitet worden. Als Ergebnis dieser Arbeiten entstand 1996 ein Verbreitungsatlas (DORDA, MAAS & STAUDT 1996). Die Tetrigidae sind danach mit den drei Arten Tetrix undulata, T. tenuicornis und T. subulata im Saarland vertreten. Alle drei Arten sind im Saarland nicht selten, wobei sich bei Tetrix tenuicornis eine deutliche Bevorzugung der Muschelkalklandschaften zeigt und T. undulata dort deutlich seltener als im übrigen Land ist (und umgekehrt).
Für das Fehlen von Tetrix bipunctata im Saarland gibt es keinen einleuchtenden Grund. Nach der bundesweiten Verbreitungskarte wird die Art zwar nach Westen zu deutlich seltener, sie kommt aber durchaus auch in Rheinland-Pfalz, Luxemburg und Lothringen vor (Maas, Detzel & Staudt 2002).

Dieses hübsche Tetrix-Exemplar vom Gauberg ist jedenfalls nur ein ganz gewöhnlicher Tetrix tenuicornis:

Anmerkung: In Naturschutzgebieten ist das Sammeln von Tieren und Pflanzen, sowie das Betreten des Gebietes außerhalb der Wege auch im Saarland verboten. Der Autor bedankt sich daher bei der zuständigen Naturschutzbehörde für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung.

Literatur: 

Iorio, É. (2007): Nouvelle contribution à la connaissance des Opilions de Lorraine et notamment des espèces synanthropiques de Metz et sa banlieue (Arachnida, Opiliones). - Bull. Soc. Linn. Bordeaux, Tome 142, (N.S.) n°35 (3) 2007 : 311-318.
Schmidt, D. (2004): Der Weberknecht Dicranopalpus ramosus (Simon, 1909) (Arachnida, Opiliones, Phalangiidae) neu für Deutschland. - Mitteilungen der Arbeitsgemeinschaft westfälischer Entomologen 20 (1), 1-12.

Autor(en): 

A. Staudt

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